Pressestimme: „Symbiose aus Handwerk und Herzblut“
Leipziger Volkszeitung: „Der Hot Club d’Allemagne feiert sein 15-Jähriges. Die Gäste wissen natürlich, woher der leicht holprige Name herkommt: Anfang der 1930er Jahre des vorigen Jahrhunderts gründeten Gitarrist Django Reinhardt und Geiger Stephane Grappelli in Paris das „Quintette du Hot Club de France“ und erfanden, basierend auf Traditionen der Sinti, einen Jazz, der komplett ohne Bläser und Schlagzeug auskam: Gypsy Swing.
Dabei ist das Krystallpalast Varieté in seinem intimen Halbrund der ideale Ort, die Brücke von den Originalschauplätzen ins Hier und Jetzt zu schlagen, wenn auch die liebevolle Jugendstil-Deko freilich historisch deutlich zu früh liegt. Bei Leipzigs heißem Club entsteht das Spannungsfeld auf der Bühne zwischen den Gründungsmitgliedern Thomas Prokein an der fünfsaitigen Violine (quasi in der Rolle des Grappelli) und Karl-Heinz „Kalle“ Vogel, in dieser Konstellation der Reinhardt. Franziskus Sparsbrod an der zweiten Gitarre und Gunter Pasler am Bass ziehen das Grundgerüst ein. Wobei das hier viel mehr bedeutet als selbst im „normalen“ Jazz. Diese Lieder sind kompakt komponiert, aber rhythmisch hochkomplex. Es gibt kein starres Metrum, das den Takt bestimmt. Der wird eher im Zusammenspiel erfühlt, im hoch wachen Interagieren entsteht ein zwingender Flow, der alles sanft, aber beharrlich treibt. Swing eben.
Alles wird auf höchstem spieltechnischen Niveau gebracht, ohne selbstverliebtes Gefrickel zu werden: Die Songs bleiben immer die Kompositionen, die sie sind. Sie spielen eine Reihe Klassiker, reichern aber rasch an, vor allem mit Eigenkompositionen von Kalle Vogel. Gerade seine Linien und Figuren erreichen das Publikum direkt, sie bauen im Übrigen spannende akustische Brücken zu anderen Spielweisen, Flamenco etwa oder Latin-Jazz.
Für den zweiten Teil des Abends haben sie noch ein Sahnehäubchen. Es betritt in hinreißender Natürlichkeit der gerade 21-jährige Franzose Antoine Boyer die Bühne, der zu allem begeisternden Überfluss auch noch ein Jahr seines Lebens der Liebe wegen in Leipzig verbracht hat. Inzwischen ist das junge Genie (tatsächlich!) in der ganzen Welt zuhause und sammelt en passant Preise wie andere benutzte Kinokarten. Im zweiten Stück demonstriert er, wie klassisches Gitarrenspiel mit den Fingerspitzen (oder Nägeln) mit dem traditionellen Gypsy-Anschlag, der mit Pick (Plektrum) gespielt wird, kombiniert werden kann. Eigentlich unspielbar: atemberaubende Virtuosität. Und Boyer schaut dabei, als wäre es das Normalste von der Welt.
Zum Finale holen sie noch Altmitglied Klaus Jacobs auf die Bühne. Die Stimmung ist gelöst, sie werfen sich die Bälle zu, jonglieren damit filigran und grooven sich aufeinander ein. Absprachen braucht es nicht. Ein kurzes Zeichen, ein Lächeln, jeder darf solieren. Diese wunderbare Symbiose aus Handwerk und Herzblut könnte ewig so weiter gehen. Kann sie natürlich nicht, nach der dritten Zugabe findet auch dieser denkwürdige Abend seinen lang nachhallenden Ausklang.“ [LARS SCHMIDT]
Einige Videos mit Ausschnitten aus den beiden Konzertabenden finden sie hier.